Zwölf Monate Vorbereitung für zweimal 24 Stunden

[Teaminfo] Mit insgesamt vier Gesamtsiegen und sieben weiteren Podiumsplatzierungen gehört Rowe Racing zu den erfolgreichsten Teams bei den beiden 24‑Stunden‑Klassikern auf dem Nürburgring und in Spa. In diesem Jahr stehen die ADAC RAVENOL 24h Nürburgring (30. Mai bis 2. Juni) und der 100. Geburtstag der 24 Stunden von Spa (29./30. Juni) wie bereits im Jahr 2020 wieder innerhalb von nur vier Wochen auf dem Programm. Damals triumphierte Rowe Racing in beiden Langstrecken-Klassikern. Im vergangenen Jahr lagen sechs Wochen zwischen den beiden Rennen – und die Mannschaft aus St. Ingbert feierte nach Platz zwei in der Eifel ihren dritten Spa‑Triumph.

Auf der Nürburgring‑Nordschleife wird Augusto Farfus, der 2010 als erster und bis heute einzige Brasilianer den „Eifel-Marathon“ gewann, in beiden Fahrzeugen des Teams zum Einsatz kommen. Im BMW M4 GT3 #98 teilt „Gustl“ sich das Cockpit mit den beiden Vorjahres-Zweiten Marco Wittmann aus Franken und Maxime Martin aus Belgien sowie dem Schweizer Raffaele Marciello, einem von zwei Neuzugängen bei BMW M Motorsport und Rowe Racing. Sheldon van der Linde aus Südafrika und der Belgier Dries Vanthoor wechseln im Vergleich zum Vorjahr aus der Startnummer #98 in den BMW M4 GT3 #99, dessen Fahrerteam der zweite Neuzugang, Robin Frijns aus den Niederlanden, und Augusto Farfus komplettieren.

Umfassende Analyse Teil der akribischen Vorbereitung

Eines der Erfolgsgeheimnisse von Rowe Racing bei den großen 24‑Stunden‑Rennen ist eine umfangreiche und akribische Vorbereitung. „Die beginnt in der Regel schon zwölf Monate vorher, und selbst das ist fast noch zu wenig“, verrät Teamchef Hans‑Peter „HP“ Naundorf: „Bereits während des vorherigen Rennens schauen wir uns genau an, was wir eventuell falsch gemacht haben, was gefehlt hat und was man ändern kann oder muss. In den ersten Wochen nach dem Rennen entsteht bei uns im Haus dann eine umfassende Analyse, was gut und was nicht so gut gelaufen ist – organisatorisch, technisch, personell, strategisch, politisch und sportrechtlich.“ Aus dieser Analyse und einer abschließenden Besprechung entsteht dann eine To-do-Liste für das nächste Rennen.

Bereits im September und Oktober beginnen die Gespräche mit den Partnern Rowe und BMW M Motorsport, außerdem mit den Zulieferern etwa der Reifen oder der Funkausrüstung. Dabei wird die Zeit für mögliche Änderungsmaßnahmen festgelegt, beispielsweise bei Motor, Antrieb, Fahrwerk, Elektronik oder Sensorik. Zwischen Oktober und Dezember wird mit BMW M Motorsport geklärt, welche Werksfahrer für die Einsätze zur Verfügung stehen. Sobald die Piloten feststehen, beginnen meist im Februar die strategischen Überlegungen, wie diese auf die beiden Fahrzeuge verteilt werden und welche speziellen Aufgaben sie erhalten. Für jede Fahrer-Crew wird außerdem ein Captain bestimmt, der als Hauptansprechpartner für die Ingenieure fungiert. In den Wochen vor den ersten Vorbereitungsrennen entstehen die Pläne, wie die neuen Reifen getestet und eingesetzt werden sollen und in welcher Reihenfolge und welchen Situationen die Fahrer am besten zum Einsatz kommen. „Da hat jeder Fahrer seine eigenen Stärken, die wir bestmöglich nutzen wollen“, erklärt HP Naundorf.

Drei LKW und 25 bis 30 Tonnen Material

Während Rowe vor allem für den Nürburgring entscheidet, welche Öle und Schmierstoffe zum Einsatz kommen sollen, beginnt noch im Februar auch die Planung, welche Gäste von den Partnern erwartet werden, welche Events parallel zum Rennen stattfinden oder ob Fahrzeuge vor Ort ausgestellt werden sollen. Nach dem ersten Vorbereitungseinsatz entsteht im April das Arbeits-Layout für die ADAC RAVENOL 24h Nürburgring. „Da geht es darum, wie die Zelte im Fahrerlager aufgebaut werden sollen, ob es Änderungen zum vorherigen Jahr gibt, wie voll die Box sein wird und ob weitere Ausweichflächen benötigt werden. Für ein 24h-Rennen nehmen wir immer auch jeweils eine eigene Wucht- und eine Montiermaschine für die Reifen mit, um flexibler reagieren und unsere Qualitätskontrolle optimieren zu können“, sagt der Teamchef. Insgesamt reist Rowe Racing zum „Eifel-Marathon“ daher auch mit drei großen LKW statt der sonst üblichen zwei an, die 25 bis 30 Tonnen Material transportieren. Dazu kommt ein weiteres Auto mit einem Fahrzeuganhänger, das auch während des Rennwochenendes eingesetzt werden könnte, um ein auf der Nordschleife gestrandetes Fahrzeug selbst abzuholen oder falls nötig ein beschädigtes Fahrzeug auch zu einer Reparatur bringen zu können.

Aktuell befindet sich das Team in der heißen Phase der Vorbereitung auf den Nürburgring. In einem Zeitraum von etwa zwei Wochen werden die Einsatzfahrzeuge nach ihrem letzten Einsatz komplett zerlegt und zahlreiche Komponenten erneuert. Es folgen ein Roll-out auf einem Flughafen, nach dem die beiden BMW M4 GT3 noch einmal komplett durchgecheckt werden. In der letzten Woche vor dem Rennen werden ab Mittwoch die LKW beladen. „In der Regel sind wir damit am Freitagmittag fertig, und danach kann sich die ganze Mannschaft noch einmal ein Wochenende entspannen“, sagt HP Naundorf. Danach geht es am Montag vor dem Rennen zur Rennstrecke, am Dienstag wird der Aufbau vor Ort erledigt, am Mittwoch kommen die Fahrer und der Teamchef an, der die ganze Mannschaft auf das Rennwochenende einstimmt. Insgesamt besteht das Team aus 65 internen und externen Personen, Mitarbeiter für Marketing, Presse und Catering kommen noch on top.

„Der erste Tag der Veranstaltung ist dann für alle schon Hardcore, den muss man gut überstehen“, erklärt der Teamchef mit Blick auf den Donnerstag mit dem ersten Qualifying und dem Nacht-Qualifying, an dem sich möglicherweise auch noch beide Fahrzeuge für das wichtige Top-Qualifying qualifizieren sollen. „Da ist die Anspannung schon hoch, und für den einen oder anderen Fahrer ist es zugleich der einzige Tag, an dem sie vor dem eigentlichen Rennen im Auto sitzen“, sagt HP Naundorf. Dann kann die Pause schon mal von Donnerstagabend bis Samstagabend dauern. Dagegen kümmern sich der Teamchef, zwei BMW Ingenieure, die beiden Renningenieure, der Performance-Ingenieur sowie der Material-, der Werkstatt- und der Fahrzeugleiter um den Feinschliff der Strategie.

Unterschiedliche Ansätze auf dem Nürburgring und in Spa

Die Strategien am Nürburgring und in Spa sind dabei sehr unterschiedlich, wie HP Naundorf erklärt: „Die ADAC RAVENOL 24h Nürburgring sind das härteste Rennen der Welt, weil jede einzelne Sekunde, die man auf der Strecke verliert, bis zum Ende bestehen bleibt, da dieses Rennen im Gegensatz zu allen anderen auf der Welt nie neutralisiert wird. Deshalb geht es vor allem darum, keine Fehler zu machen und von Anfang bis Ende einen perfekten Job zu machen. Dazu kommt die Unvorhersehbarkeit dieser einzigartigen Strecke. Da kann man noch so gut aussortiert sein, aber Zufälle und Pech können einen immer wieder zurückwerfen, und dann ist es ganz schwer, wieder zurück nach vorne zu kommen.“ Vier Wochen später in Spa, wo am 21. und 22. Mai noch zwei offizielle Testtage auf dem Programm stehen, ist der Charakter ganz anders. Zum einen sind dort alle teilnehmenden Fahrzeuge auf einem vergleichbaren Leistungsstand, dazu gibt es beim Saisonhöhepunkt der GT World Challenge Europe immer wieder Full‑Course‑Yellow‑Phasen und Safety‑Car‑Einsätze, durch die mögliche Abstände zwischen den Teilnehmern immer wieder zusammenschmelzen. „Dadurch taktiert man in Spa anders, versucht zuerst, sich aus Problemen rauszuhalten, keine Fehler zu machen und unter allen Umständen in der Führungsrunde zu bleiben. Erst später im Rennen probiert man, Positionen zu gewinnen und nach vorne zu kommen“, sagt HP Naundorf.

119.892 Renn‑Kilometer bei 24‑Stunden‑Klassikern

Dass die Mannschaft aus St. Ingbert beide Taktiken beherrscht, zeigt die Erfolgsbilanz bei diesen beiden Langstrecken-Klassikern: Bei insgesamt 21 Rennen fuhr elfmal ein Fahrzeug von Rowe Racing auf das Podium, also bei mehr als jedem zweiten Rennen. Zum Einsatz kamen dabei bis heute insgesamt 56 Fahrer, die zusammen 119.892 Renn‑Kilometer zurücklegten – 66.846 Kilometer auf dem Nürburgring und 53.046 Kilometer in Spa.