Das ADAC Zurich 24h-Rennen war in der Vergangenheit immer auch ein Schaufenster in die Labors der Fahrzeugentwickler. Spätestens nach dem ersten Sieg eines Dieselfahrzeugs bei einem 24h-Rennen, den BMW hier 1998 erzielte, standen dabei die alternativen Treibstoffkonzepte im Mittelpunkt. Doch ein Team zeigt traditionell, dass nicht nur beim Treibstoff neue – „grüne“ – Wege möglich sind. Smudo und Thomas von Löwis of Menar setzen schon seit Jahren Highlights in der Kategorie „AT“ und zünden 2018 die nächste Performance-Stufe. Der schnelle Frontmann der Deutsch-Rapper „Die Fantastischen Vier“ und der ehemalige DTM-Pilot bringen mit dem Four Motors „Team Care for Climate“ zum ersten Mal einen Porsche 911 GT3 Cup an den Start. Zur neuen Speerspitze im Projekt „Bioconcept-Car“ stößt neben dem bereits bekannten Porsche Cayman GT4 Clubsport bei der VLN auch der Porsche Cayman 981 von Technikpartner W&S Motorsport in der Klasse V5 für seriennahe Fahrzeuge hinzu. Wie das Bioconcept-Car Porsche Cayman GT4 setzt auch der GT3-Renner auf Recycling-Öle von Puraglobe, E20-Kraftstoff von CropEnergies und speziell entwickelte Leichtbauteile aus Biofasern.
„In Zukunft könnte es theoretisch möglich sein, dass eine Porsche-Motorhaube aus einer alten zerschredderten Jeans oder Ähnlichem hergestellt wird, und wenn diese dann kaputt geht, wird sie erneut geschreddert und entweder wiederverwertet oder sogar kompostiert“, beschreibt Smudo das Zukunftspotenzial dieser Technologie, die Four Motors aktuell gemeinsam mit Porsche und dem Fraunhofer WKI weiterentwickelt und die über die Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe (FNR) mit Mitteln des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft gefördert wird – und das bereits seit 2006, als diese Idee bei Four Motors geboren wurde.
Problemlose Wiederverwertung
„Die Biofaser-Teile wiegen inzwischen fast genauso wenig wie die üblichen aus Kohlefaser. Das hätte ich vor ein paar Jahren selbst nicht geglaubt, und bei Porsche sind alle schon total happy“, sagt Four-Motors-Teamchef Thomas von Löwis über die Teile, die statt aus Karbon aus Naturgeweben wie Sisal, Flachs, Hanf und Baumwolle hergestellt werden. „Diese Materialien können außerdem später problemlos wiederverwertet und bald vielleicht sogar kompostiert werden, auch wenn wir ganz soweit im Moment noch nicht sind“, erklärt von Löwis. Nachdem diese Komponenten aus komplett nachwachsenden Rohstoffen schon im vorigen Jahr am Cayman GT4 ihre Feuertaufe bestanden haben, sind sie in diesem Jahr auch für den 485 PS starken neuen GT3-Renner des Teams vorgesehen. „Bis zum 24h-Rennen wollen wir die Fahrer- und Beifahrertür, im Laufe der weiteren Saison auch den Motordeckel hinten und die Fronthaube aus Biofaser am Auto haben – und wenn es nach uns geht auch den Heckflügel, auch wenn Porsche da erst noch weitere Tests durchführen will. Aber ich bin sicher, der Flügel wird halten“, sagt von Löwis.
Team beschreitet seit 15 Jahren alternative Wege
Die Karosserie-Teile aus Biofasern sind bereits die dritte nachhaltige Säule, auf die das Team setzt. Angefangen hatte alles 2003 mit einem VW Beetle mit Bio-Diesel, mit dem später auch ein Ford Mustang GT RTD, ein Renault Megane RS Trophy und ein VW Scirocco 2.0 TDI angetrieben wurden. Beim Wechsel auf den Cayman GT4 in der Saison 2016 kam der Umstieg auf E20-Hochleistungsbenzin von CropEnergies, das einen Anteil von 20 Prozent Bio-Ethanol aus nachhaltigem Anbau enthält und 20 Prozent weniger CO2 sowie 60 Prozent weniger Feinstaub ausstößt. „Dieser Treibstoff mit 20 Prozent Bio-Ethanol-Beimischung ist schon ein bisschen Flux-Kompensator-mäßig, weil er quasi aus Bio-Reststoffen gemacht wird und auch noch eine höhere Oktanzahl, also mehr Energie hat“, sagt Smudo: „Die Begriffe nachhaltiger Motorsport passen eigentlich so wenig zusammen wie alkoholfreies Bier, wobei das ja auch seinen Sinn hat. Aber bei der Bedrohung durch die Klima-Katastrophe gibt es einen Grund mehr dafür. Es wird überall nach komplizierten Methoden gesucht, dabei ist gerade so etwas wie eine nachwachsende Treibstoff-Beimischung eigentlich das Einfachste.“ Eine deutliche CO2-Reduzierung ermöglicht auch die erste Säule des Projektes, die seit 2015 eingesetzten Recycling-Öle von Puraglobe. Das Unternehmen arbeitet gebrauchte Öle wieder auf und stellt daraus neue Basisöle bis zur höchsten Qualitätsstufe III+ her, die sogar reiner sind als frisch gefördertes Rohöl. Daraus resultiert eine Rohöl-Einsparung von mehr als zwei Dritteln und eine Reduzierung des CO2-Ausstoßes um mehr als 80 Prozent.
Wettbewerbsvorteil durch den Biosprit
Teamchef von Löwis, der insgesamt 35 DTM-Rennen bestritt und als bestes Ergebnis einen zweiten Platz einfuhr, geht allerdings nicht nur wegen des reduzierten CO2-Ausstoßes des Drei-Säulen-Modells den eingeschlagenen Four-Motors-Weg. „Ich bin davon überzeugt, dass wir mit E20 auch einen Verbrauchsvorteil und einen Leistungsvorteil haben“, erklärt er: „Durch die höhere Oktanzahl haben wir eine kühlere Verbrennung und dadurch mehr Spielraum beim Zündzeitpunkt.“ Der Erfolg unterstreicht diese These: 2017 feierte das Team um von Löwis und Smudo in der Kategorie AT, in der auf der Nordschleife auch schon Diesel-, Gas-, Wasserstoff- und Hybrid-Rennwagen unterwegs waren, im Cayman GT4 den Klassensieg beim 24h-Rennen und weitere in der VLN Langstreckenmeisterschaft.
Smudo: Nachhaltiger Motorsport passt perfekt zur musikalischen Pionier-Agenda
Für Smudo ist der Rennsport seit seinem Einstieg in den VW Beetle Cup im Jahr 2000 mehr als nur eine Nebenbeschäftigung zu seiner Musik-Karriere. Er liebt das schnelle Autofahren, sieht aber auch die Verantwortung für das bedrohte Klima und setzt sich daher gerne und leidenschaftlich für das Projekt „Bioconcept-Car“ ein. „Und es ist eine angenehme Nebenwirkung, dass ich als Prominenter die Möglichkeit habe, Sponsoren zu akquirieren, aber nicht auf die übliche Methode und mit den üblichen Produkten, sondern in einer ganz anderen Ecke. Das finde ich tatsächlich cool und modern“, erklärt der 50-Jährige, an dessen Popularität Porsche neben dem Know-how des Teams mit den Bio-Fasern natürlich auch Interesse hat.
„Und es passt auch prima zu unserer Musik, dass wir eher abseits der ausgetretenen Pfade Erfolg haben“, sagt Smudo: „Damals war deutsche Rap-Musik etwas Exotisches, in Deutsch überhaupt und später dann damit auch noch Erfolg zu haben und so Pionierarbeit geleistet zu haben – auch künstlerisch mit vielen Ideen wie unseren Multimedia-Projekten, 3D-Kinostreaming, verschiedenen Unpluggeds oder zuletzt dem ersten Augmented-Reality-Clip der Welt – zum aktuellen Album „Captain Fantastic“. Nachhaltiger Motorsport passt perfekt in diese Pionier-Agenda.“ Ebenso wie akribische Vorbereitung. „Ich muss noch einiges laufen, um die nötige Kondition für das 24h-Rennen aufzubauen“, sagt Smudo: „Auf dem neuen GT3 habe ich bereits über den Winter in meinem Simulator ein bisschen geübt und bin bei VLN1 angetreten.“ Und VLN2 steht auch auf dem Tour-Plan.